Ehemalige DIAF-Leiterin Sabine Scholze verstorben

Sabine Scholze bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Märchenhaft – Trickfilme aus Dresden“, 2022. ©DIAF/Steffen Füssel
Sabine Scholze bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Märchenhaft – Trickfilme aus Dresden“, 2022. ©DIAF/Steffen Füssel

Sabine Scholze, Dramaturgin im DEFA-Studio für Trickfilme Dresden und langjährige Geschäftsführerin des Deutschen Instituts für Animationsfilm (DIAF), ist am 2. Juni verstorben. Bis zu ihrem Tod hat sie das DIAF durch ihren nicht nachlassenden Einsatz als Leiterin und Vorstandsmitglied geprägt und es zu einer Forschungs-, Sammlungs- und Ausstellungsinstitution von großer Bedeutung entwickelt.

Quick Animation, Gabor Steisinger, DDR 1989. ©DIAF-Archiv

Kombination aus Folien und Hintergrund zu Quick Animation, Gabor Steisinger, DDR 1989. ©DIAF-Archiv

Die 1944 geborene Dresdnerin legte ihr Abitur an der altehrwürdigen Kreuzschule ab, absolvierte eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin/-gestalterin und studierte Germanistik und Anglistik an der Humboldt-Universität Berlin. Nach dem Diplom war Sabine Scholze zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Progreß Film-Verleih tätig, anschließend mehr als zehn Jahre lang bei der Bezirksfilmdirektion Dresden. Dort leitete sie die Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab Mitte der 1980er Jahre arbeitete Sabine Scholze als stoffführende Dramaturgin im DEFA-Studio für Trickfilme Dresden.

Inselwitz, Lutz Stützner, DDR 1990. ©DEFA-Stiftung/Steffen Nielitz

Inselwitz, Lutz Stützner, DDR 1990. ©DEFA-Stiftung/Steffen Nielitz

An rund 30 Filmen wirkte sie mit. Mehrfach arbeitete sie mit den Regisseuren Marion Rasche (Der lange Weg, Reisen ist schön), Jörg d’Bomba (Tolpatsch, Lebensbaum) und Raimund Backwinkel (Der Exot, Das Kürbiskind) zusammen. Auch die ersten Werke der jüngsten Zeichentrick-Generation betreute sie dramaturgisch, beispielsweise Inselwitz von Lutz Stützner, Quick Animation und In my Neighbourhood von Gabor Steisinger und In Sachen Männer von Olaf Ulbricht.

Nach der Abwicklung des Trickfilmstudios baute sie von 1993 bis 96 eine Filmschule im neuen Film- und Medienkulturzentrum Pentacon auf.

Bewahrung des künstlerischen Materials aus dem DEFA-Trickfilmstudio

Sabine Scholze (l). und Barbara Atanassow vor der Archivtür. ©DIAF-Archiv

Sabine Scholze (l). und Barbara Atanassow vor der Archivtür. ©DIAF-Archiv

Sabine Scholze, weiteren früheren DEFA-Mitarbeitern wie Lutz Stützner und Ralf Kukula sowie der Kunsthistorikerin Barbara Barlet ist es maßgeblich zu verdanken, dass die im Müllcontainer „entsorgten“ künstlerischen Materialien aus dem aufgelösten Trickfilmstudio gerettet und eingelagert wurden. Parallel dazu gründete Sabine Scholze 1993 das Deutsche Institut für Animationsfilm (DIAF) mit und engagierte sich ehrenamtlich als Vereinsvorsitzende. Ab 1996 leitete sie das Institut als Geschäftsführerin. Unter ihrer Ägide entwickelte sich das DIAF zu einer Sammlungs-, Präsentations- und Forschungseinrichtung von nationaler und internationaler Bedeutsamkeit. Rückblickend konstatierte Sabine Scholze über die wilden 90er Jahre: „Ich glaube, ich war für die Zeit die richtige Besetzung: Ich bin nicht so der große Wissenschaftstyp, sondern eher der Durchreißer.“

Endgültiges Domizil und viel Arbeit

Eröffnung der Silhouettenausstellung 1995: Barbara Barlet (1. v. l.) und Sabine Scholze (M.) mit Petra (2. v. r.) und Christian Löser (3. v. l.) und Elke Scharfe (1. v. r.) von der ehemaligen Werbeagentur Löser+Partner. ©DIAF-Archiv

Eröffnung der Silhouettenausstellung 1995: Barbara Barlet (1. v. l.) und Sabine Scholze (M.) mit Petra (2. v. r.) und Christian Löser (3. v. l.) und Elke Scharfe (1. v. r.) von der ehemaligen Werbeagentur Löser+Partner. ©DIAF-Archiv

Die gesicherten Schätze aus dem Gorbitzer Studio wurden von tatkräftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des jungen DIAF geordnet, systematisiert, inventarisiert, gesäubert und teilweise aufgearbeitet. Dabei musste das Team mehrfach mit Sack und Pack umziehen – vom Kohlenkeller des Pentacon-Kulturhauses in die 3. Etage der heutigen Technischen Sammlungen und schließlich in deren Untergeschoss, wo das Archiv noch immer beheimatet ist. Die Bewahrung des DDR-Kunstgutes wäre jedoch unmöglich gewesen ohne die Unterstützung von institutioneller Seite: durch die Stadt Dresden mit ihrem Kulturbürgermeister Jörg Stüdemann und den Technischen Sammlungen, den Freistaat Sachsen mit Hedda Gehm, der Referentin für Film und Video im Ministerium für Wissenschaft und Kunst, sowie den Bund mit seiner Fördermaßnahme „Kultur in den neuen Ländern“, dank der die erste Dauerausstellung des DIAF eingerichtet werden konnte.

Kuratorin, Organisatorin, Festivalmanagerin

Programmpreis der DEFA-Stiftung 2007 für das DIAF: Sabine Scholze (l.) und Angela Klemm. ©DEFA-Stiftung/Annett Ahrends

Programmpreis der DEFA-Stiftung 2007 für das DIAF: Sabine Scholze (l.) und Angela Klemm. ©DEFA-Stiftung/Annett Ahrends

Neben der physischen Bewahrung des Dresdner Trickfilm-Erbes konzipierte das rührige Team um Sabine Scholze Dutzende Ausstellungen, mehrere internationale Symposien zum Animationsfilm sowie unzählige Filmveranstaltungen, sowohl zum DEFA-Trickfilm als auch zu seinen „Artgenossen“ aus dem Ausland. So standen beispielsweise die Neugierigen Schlange, um japanische Animés im benachbarten Kino im Dach zu sehen. Auch das Kinderfilmfestival „Kintop für Kids“, das unter dem Namen KINOLINO in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, organisierte Sabine Scholze mit. Diese Arbeit würdigte die DEFA-Stiftung 2007 mit ihrem Programmpreis.

Unverzichtbares Nachschlagewerk: „Die Trick-Fabrik“

Einen – auch im Wortsinne – gewichtigen Beitrag zu dieser Wahl leistete das 2003 erschienene Buch „Die Trick-Fabrik“, dessen Redaktion in den Händen von Sabine Scholze und Ralf Schenk (im Auftrag der DEFA-Stiftung) lag. Das mehr als 500 Seiten umfassende Grundlagenwerk beleuchtete erstmals die Geschichte des DEFA-Trickfilms über vier Jahrzehnte aus verschiedenen Blickwinkeln und wurde von der Wissenschafts-Community gewürdigt. Das National Filmboard of Canada zeichnete die Publikation mit dem Norman McLaren-Preis für das weltweit beste Buch zum Animationsfilm aus. Dass die „Trickfilm-Bibel“ auch 20 Jahre später noch zum unverzichtbaren Werkzeug im DIAF und anderen Filmeinrichtungen gehört, beweist, dass die beiden Redakteure und 15 Autoren einen zeitlosen Klassiker geschaffen haben.

Engagement im Vorstand und in der Museumskino-Gruppe

Sabine Scholze (l.) und Maren Dose in Marion Rasches Film zum 20. Geburtstag des Museumskinos. ©Filmstill

Sabine Scholze (l.) und Maren Dose in der Dokumentation 20 Jahre Filmschätze im Museumskino von Marion Rasche. ©Filmstill

Obwohl Sabine Scholze ihren Geschäftsführer-Posten 2008 auf- und an André Eckardt abgab, blieb sie dem DIAF als Vereinsvorstand und damit als Ideengeberin erhalten. Die erfolgreiche Märchen-Ausstellung 2022/23 hat sie wesentlich mitkuratiert – keiner ahnte, dass es ihre letzte Ausstellung sein würde. Auch um das „Museumskino Ernemann VII B“ in den Technischen Sammlungen, das sie 2002 gemeinsam mit Maren Dose aus der Taufe gehoben hatte, kümmerte sie sich weiterhin. Gemeinsam mit ihren Kollegen und Kolleginnen der „Kinogruppe“ konzipierte sie Filmreihen, wählte Werke aus, schrieb Texte, hielt Einführungen. In Marion Rasches Film zum 20. Kino-Geburtstag, der täglich 12 und 16 Uhr im Museumskino läuft, sind die beiden Gründerinnen zu erleben.

Sabine Scholzes herzliche, lebensfrohe Art, ihren Ideenreichtum und ihre Erfahrung werden wir vermissen. Dankeschön für das jahrzehntelange tatkräftige Engagement für den Animationsfilm und das DIAF! In Gedanken sind wir bei Sabine Scholzes Familie und wünschen ihr ganz viel Kraft in dieser Zeit.

Tanja Tröger