Trauer um Kiesel – Animatorin Gisela Köhler ist verstorben

Am 24. Februar 2025 ist die Animatorin Gisela Köhler verstorben. Unter ihrem Spitznamen Kiesel hatte sich die kleine Frau mit den kurzen lockigen Haaren auch in der Dresdner Theaterszene als Puppen- und Schauspielerin einen Namen gemacht.
1953 in Karl-Marx-Stadt geboren, verbrachte sie die ersten Schuljahre in Kairo und in Sansibar, wo ihre Eltern im diplomatischen Dienst tätig waren. 1966 kehrte die Familie nach Berlin zurück. Nach ihrem Schulabschluss absolvierte Kiesel eine Ausbildung zur Buchhändlerin und arbeitete in ihrem erlernten Beruf. Das ständige „leider nicht vorrätig“-Sagen und die häufigen Kassendienste trübten allerdings ihre Freude, sodass sie sich nach einem anderen Job umsah. Sie landete beim Fernsehen – zunächst im Archiv, dann im „Sandmann-Studio“ in Berlin-Mahlsdorf. Dort lernte sie den Beruf der Animatorin von der Pike auf – anfangs saß sie noch unter den Sets und hängte die Sandsäckchen um, mit denen die Figuren von unten beschwert und am Platz gehalten wurden.
Sie animierte zahlreiche Abendgruß-Rahmenhandlungen. Die beiden Lappland-Folgen (1983) mit Szenenbildnerin Brigitte „Paula“ Zeh und Regie-Kameramann Arnim Gießmann lagen ihr besonders am Herzen.

Kiesel (2. v. l.) mit Kommilitonen des ersten Animatoren-Studienganges: Szene aus einem Übungsfilm der Studenten. ©DIAF/André Schmidt
Nach sechs Jahren im Mahlsdorfer Studio setzte sich Kiesel noch einmal auf die Schulbank. Sie gehörte ab 1982 zum ersten Jahrgang der neu aufgelegten DDR-Animatoren-Ausbildung. Die Teilnehmer absolvierten eine Art duales Fachschulstudium im Dresdner Studio, an der HfBK Dresden und an der Betriebsakademie der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg. Während des Studiums zog Berlinerin Kiesel ganz nach Dresden und gestaltete mehrere Puppentrickproduktionen mit, unter anderem Zwerg Nase (1985) und Das Myrtenfräulein (1988) von Katja Georgi.
Neben ihrer Arbeit als Animatorin beschäftigte sie sich auch mit Puppen- und Schauspiel. In Berlin agierte sie an der Puppenbühne „Fischladen“, in Dresden gründete sie 1982 das „Rahmentheater“ unter der Leitung des Arbeitspsychologen und Künstlers Bernd Meyer-Rähnitz mit. Die kreative Gruppe führte verschiedene Handpantomimen, halb- und ganzfigürliche Stücke auf, beispielsweise von Carl Valentin, Loriot und Horst Hussel. Dabei standen die Spieler meist hinter einer kleinen Stoffbühne, die den namensgebenden Rahmen bildete. Gemeinsam mit Kelalee (Angela Klemm), einer engen Freundin aus dem Trickfilmstudio, bildete Kiesel ein Clowns-Duo. Aufführungen gab es in Dresden und an der Ostsee.

Eine Preußin als Sachsen-Ikone „Schokoladenmädchen“: Kiesel Köhler in „August der Schwache“. ©privat
Außerdem spielte Kiesel Köhler beim 1985 gegründeten Amateurtheater „Spielbrett“ unter Ulli Schwarz und gelangte zur Überzeugung, dass ihr Herz mehr am Theater als am Animationsfilm hing. Bei „Spielbrett“ lernte sie Olaf Böhme kennen, der später als „betrunkener Sachse“ ein Begriff wurde. Fortan standen Böhme und Köhler häufig gemeinsam auf der Bühne.
Vor dem Wende-Herbst 1989 verließ Kiesel das Dresdner Studio und ging zurück nach Berlin, verdingte sich in einem Antiquariat und Westberliner Buchläden, in ABM-Maßnahmen und 1995 ein halbes Jahr lang am Erfurter Puppentheater. Olaf Böhme war es, der sie wieder an die Elbe holte. Das „Schokoladenmädchen“ im Sommertheater-Spektakel „August der Schwache“ war zu besetzen! Von 1996 bis 2003 persiflierte eine bunte Truppe um den Pantomimen Rainer König diverse Barock-Berühmtheiten und sorgte jedes Jahr für ausverkaufte Vorstellungen im und am Schloss Moritzburg. Es folgten weitere Inszenierungen, meist mit Olaf Böhme: „Willkommen im Wartesaal“, die Krimigroteske „Der Traum von Erschießen“, „Paarlauf“, „Der Patient“, „Vier auf einem Brett“ (mit Peter Flache, Stephan Uhlig und Olaf Böhme), „Der Mitternachtssachse“ in mehreren Fortsetzungen … Kiesel spielte schräge, versponnene, durchgeknallte Frauen, stets resolut und tragikomisch, burschikos, sensibel und warmherzig wie die Darstellerin selbst.
Mit Humor und Engagement leitete Kiesel in Berlin das Seniorentheater „Die Bohnsdorfer Da(h)men“. Voller Witz und Tiefgang brachten die Spieler ihre persönlichen Lebenserfahrungen im Kiezklub an der Dahmestraße auf die Bühne.
Kiesel hat auch gemalt, besonders gern Selbstporträts und Motive ihres Sehnsuchtsortes Hiddensee. Gern hätte sie ihre geliebte Ostseeinsel noch einmal besucht, doch eine chronische Erkrankung erlaubte das nicht mehr.
Tanja Tröger