6. August 2023

Gestalterin Ingrid Gubisch verstorben

Ingrid Gubisch Anfang der 1990er Jahre als Hintergrundgestalterin für Die Hexe und der Weihnachtsmann (Das Weihnachtsmärchen). ©Lutz Stützner (Polaroid)
Ingrid Gubisch Anfang der 1990er Jahre als Hintergrundgestalterin für Die Hexe und der Weihnachtsmann (Das Weihnachtsmärchen). ©Lutz Stützner (Polaroid)

Ingrid Gubisch, Gestalterin und Animatorin im DEFA-Studio für Trickfilme Dresden, ist am 4. Juli 2023 verstorben. Sie wurde 79 Jahre alt.

Geboren am 3. März 1944 in Kolberg (heute Polen), wuchs Ingrid Gubisch im erzgebirgischen Geyer auf. Ihre Mutter hatte mit dem wenige Monate alten Baby aus Westpommern flüchten müssen. Nach der Schule absolvierte Ingrid Gubisch von 1960 bis 1962 eine Ausbildung zur Gebrauchswerberin und Schaufensterdekorateurin und arbeitete insgesamt zehn Jahre lang in diesem Beruf. 1970 zog sie von Annaberg-Buchholz nach Dresden, um Theatermalerei an der der Hochschule für Bildende Künste angeschlossenen Fachschule zu studieren.

Multitalent für Flach-, Silhouetten- und Zeichentrick

Von Ingrid Gubisch gestaltete Flachfiguren aus dem Film Angst auf Folie. ©DIAF/Tröger

Von Ingrid Gubisch gestaltete Flachfiguren aus dem Film Angst auf Folie. ©DIAF/Tröger

Mit dem Fachschulabschluss in der Tasche, nach einem kurzen Aufenthalt in Frankfurt/Oder und der Geburt ihrer Tochter begann sie, zunächst freischaffend im DEFA-Studio für Trickfilme Dresden zu arbeiten. Für Jörg Herrmanns Flachtrickfilm Klinkerfritz (1976) übertrug sie die Figurenentwürfe des Künstlers Ulrich Eisenfeld auf die einzelnen Gelenkteile und schuf auch einige Hintergründe im Stile von Eisenfeld. Anschließend gestaltete und animierte sie die Flach- und Zeichentrickfilme Lautaro (1977) und Rosaura (1978) von und mit den Exilchilenen Juan Forch und Hernando Leon. 1981/82 übernahm sie Design und Animation von Günter Rätzʼ Flachfigurenfilm Angst. Bei Lutz Dammbecks Filmen Einmart (1981), Die Entdeckung (1983) und Die Flut (1986) animierte sie gemeinsam mit dem Künstler. Auch für die Silhouettenfilme Die Söhne des Holzfällers (Bruno J. Böttge, 1980), Die Bürger von Schilda und der Maushund (Manfred Henke, 1984) und Das Kürbiskind (Raimund Backwinkel, 1990) gestaltete sie Figuren und/oder Hintergründe.

Arbeiten für Sieglinde-Hamacher-Filme: Collage für Kafkas Traum (oben), umgestaltete Klassiker-Drucke für Gemäldegalerie (unten). ©DIAF/Tröger

Arbeiten für Sieglinde-Hamacher-Filme: Collage für Kafkas Traum (oben), umgestaltete Klassiker-Drucke für Gemäldegalerie (unten). ©DIAF/Tröger

Mit der Zeit spezialisierte sich Ingrid Gubisch auf Zeichentrick-Produktionen. Sie schuf Hintergründe und/oder Figuren für die Mausi und Kilo-Reihe (1987/88), für Lothar Barkes Das gestohlene Gesicht (1984) und Das Geheimnis des alten Schlosses (1989) sowie für Christian Biermanns C’est la vie (1989) und war teilweise auch als Animatorin tätig. Mehrfach arbeitete sie als Gestalterin mit Sieglinde Hamacher zusammen, der Grand Dame des DEFA-Zeichentricks, etwa bei Party (1987, Hintergründe), Gemäldegalerie (1989, Gestaltung) und Okkupation (1990, Gestaltung). Ab 1987 war Ingrid Gubisch als „Cheffilmkunstmalerin“ im DEFA-Studio fest angestellt.

Studioschließung als Umbruch

Hintergrundgestaltung mit Hauptfigur zu Am Anfang war ..., Lutz Stützner, D 1996. ©DIAF/Tröger

Hintergrundgestaltung mit Hauptfigur zu Am Anfang war …, Lutz Stützner, D 1996. ©DIAF/Tröger

Die Abwicklung des Studios setzte auch in Ingrid Gubischs Leben eine bedeutende Zäsur, da sie (wie die übrigen Mitarbeiter auch) nicht mehr mit kreativem Schaffen ihren Lebensunterhalt verdienen konnte und auch die damit verbundene Anerkennung fehlte. Regisseur Lutz Stützner holte Ingrid Gubisch als Hintergrundgestalterin zum Weihnachtsmärchen (Die Hexe und der Weihnachtsmann, 1994), dem letzten Projekt, das im ehemaligen DEFA-Trickfilmstudio verwirklicht wurde. Auch am Regiedebüt ihrer langjährigen Zeichentrick-Kollegin Barbara Atanassow, Die Schuld (1993), war sie beteiligt.

Berufliche Umorientierung in den 90er Jahren

Szene mit den Nornen aus „Götterdämmerung“ an der Dresdner Semperoper. ©Staatsoper Dresden/Klaus Gigga

Szene mit den Nornen aus „Götterdämmerung“ an der Dresdner Semperoper. ©Staatsoper Dresden/Klaus Gigga

Ihre künstlerischen Fähigkeiten nutzte sie von 1994 bis 1996, um bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Dresdner Altmarkt Flächenstrukturen und Befunde mit Handzeichnungen zu dokumentieren. Ab 1997 war Ingrid Gubisch als Kostümmalerin in der Kostümabteilung der Sächsischen Staatsoper Dresden tätig. „Ihr Ideenreichtum und ihre unkonventionelle Experimentierfreude waren oft Motor für unsere gesamte Abteilung Kostümmalerei“, erinnert sich eine frühere Kollegin. Auf der Bühne der Semperoper sind noch immer von Ingrid Gubisch malerisch gestaltete Kostüme in zu sehen, beispielsweise die mit Runen verzierten Gewänder der Nornen im „Ring des Nibelungen“.

Buddhistin im Herzen

2004 ging Ingrid Gubisch in Ruhestand. Mit ihren DEFA-Kolleginnen Sieglinde Hamacher, Heidi Kohlert, Barbara Atanassow und Renate Schunke-Nitzsche verbanden sie enge Freundschaften. Die „Damenrunde“ ging gemeinsam ins Kino und diskutierte angeregt über das Gesehene, unternahm Ausflüge und Reisen. Aber auch die Beziehungen zu Arbeitskameraden aus anderen Stellen pflegte Ingrid Gubisch intensiv. Wegen ihrer freundlichen, bescheidenen, unaufdringlichen und hilfsbereiten Art war die hochgewachsene, viel jünger wirkende Frau sehr geschätzt. „Meine Mutter war eigentlich Buddhistin“, meint Tochter Andrea – ebenfalls Künstlerin – lächelnd. „Sie hat sich nie aufgeregt, hat immer zwischen allen vermittelt und sich um andere gekümmert.“

Diesen ausgleichenden und großzügigen Charakter behielt sie bis zum Schluss bei. Für all ihre Freunde und Weggefährten stellte sie Tüten und Mappen mit Erinnerungsstücken zusammen. Dem DIAF schenkte Ingrid Gubisch zahlreiche Entwürfe, Hintergründe, Flach- und Silhouettenfiguren, teilweise zu Filmen, zu denen noch nicht viel Material im Archiv liegt. Ein wunderbarer Schatz, für den wir sehr dankbar sind!

Eine sich ab 2012 verschlimmernde Augenerkrankung schränkte Ingrid Gubisch in ihrer Kreativität maßgeblich ein. Nach schwerer Krankheit ist sie nun verstorben und wurde auf dem Dresdner Johannisfriedhof beigesetzt. Unser Mitgefühl und alle guten Wünsche für viel Kraft gehen an Andrea Gubisch, ihre Familie sowie Freundinnen und Freunde.

Tanja Tröger