Animationsfilm-Regisseurin Katja Georgi verstorben

Katja Georgi, 1974. ©DEFA/Rolf Hofmann
Katja Georgi, 1974. ©DEFA/Rolf Hofmann

Im Alter von 93 Jahren ist die Animationsfilm-Regisseurin Katja Georgi am 28. März 2022 verstorben. Sie gehörte zum Gründungsteam des DEFA-Studios für Trickfilme Dresden und wirkte bis zu dessen Ende an rund 50 Filmen mit. Mehr als 40 davon gestaltete sie als Regisseurin.

Katja Georgi wurde 1928 im Eichsfelder Örtchen Lengenfeld unterm Stein in eine Künstler-Familie hineingeboren: der Großvater Architekt und Porträtzeichner, der Vater Aquarellist und Zeichenlehrer an der Privatschule Schloss Bischofstein, die Mutter Malerin. Neben dem Zeichnen begeisterte sich das Mädchen auch fürs Theater. Als die Schlossschule in ein Napola-Internat umgewandelt wurde, zog die Familie nach Magdeburg und später Zeitz um. Der Vater fiel in Russland, die Mutter brachte die beiden Kinder mit Porträtmalerei durch. Sie starb Mitte der 1940er Jahre bei einem Autounfall. Die junge Katja besuchte die Dolmetscherschule in Leipzig und arbeitete anschließend für das Berliner Büro eines englischen Colonel. Angeregt durch eine Bekannte, die als Töpferin tätig war, studierte sie von 1949 bis 1953 Keramik am Institut für künstlerische Werkgestaltung Burg Giebichenstein in Halle (Saale).

„Da war’s passiert“

Mit dem „Trickfilm-Fieber“ infizierte sich die Studentin, als sie einen Bekannten aus Bischofsteiner Kindertagen in München besuchte. Dessen Frau arbeitete als Schnittmeisterin bei der Bavaria in Geiselgasteig und zeigte der Studentin Arbeiten des Zeichentrick- und Werbefilmers Hans Fischerkoesen sowie der tschechischen Animationspionierin Hermína Týrlová.

Die Geschichte vom Sparschweinchen, Klaus Georgi/Otto Sacher/Christl Wiemer/Hans-Ulrich Wiemer/Helmut Barkowsky, DDR 1954. ©DEFA-Stiftung/Helmut Plagge

Die Geschichte vom Sparschweinchen, Klaus Georgi/Otto Sacher/Christl Wiemer/Hans-Ulrich Wiemer/Helmut Barkowsky, DDR 1954. ©DEFA-Stiftung/Helmut Plagge

Ihre Begeisterung trug Katja Georgi in die Grafikagentur „Wir fünf“, in der sie nach ihrem Studienabschluss freiberuflich arbeitete. Gegründet hatten die Agentur die Giebichenstein-Absolventen Klaus Georgi (inzwischen ihr Mann), Christl und Hans-Ulrich Wiemer, Otto Sacher und Helmut Barkowsky. Das Grüppchen konnte sich im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme Potsdam-Babelsberg an einem ersten Zeichentrickfilm Die Geschichte vom Sparschweinchen (1954) ausprobieren. Als das Trickfilmstudio in Dresden aus der Taufe gehoben wurde, zogen die Freunde nach Sachsen und gehörten dort zu den wenigen Gründungsvätern und -müttern mit – wenn auch spärlicher – Filmerfahrung.

Puppen- statt Zeichentrick

Katja Georgi mit Jiří Trnka bei dessen Besuch im DEFA-Trickfilmstudio, 1959. ©DIAF

Katja Georgi mit Jiří Trnka bei dessen Besuch im DEFA-Trickfilmstudio, 1959. ©DIAF

„Ich hab nie selber sehr gut zeichnen können“, schätzte Katja Georgi ein, und wechselte bald zum Puppentrick. Ihr großes Vorbild dabei: Jiří Trnka. „Das war für mich der Größte!“. Als der herausragende tschechische Regisseur 1959 das Dresdner Studio besuchte, u. a. Katja Georgi bei der Arbeit am Mutigen Hans über die Schulter sah und meinte „Sie sind auf dem richtigen Weg“, war sie sehr stolz und glücklich. Die Nachwuchsfilmemacherin gestaltete Kinderfilme und Märchen, etwa Die Prinzessin auf der Erbse (1959), Dornröschen (1967) oder Urwaldmärchen (1977).

Katja Georgi gehörte zu den überzeugten Verfechtern von starren Gesichtern und Händen bei ihren Figuren. „Wenn man das richtig animiert, geht das, ist das schön.“ Eine Puppe müsse so gestaltet sein, dass sie alles kann, und dann müsse man das aus ihr herausholen: „Das macht die Animation, das macht die Kamera. Mit Licht kannst Du unheimlich viel machen in so einem Gesicht!“

Novelle, Katja Georgi, DDR 1974. ©DIAF-Archiv

Novelle, Katja Georgi, DDR 1974. ©DIAF-Archiv

Dabei arbeitete die Regisseurin häufig mit dem Gestalter Horst J. Tappert zusammen. Auf seine Idee hin verwendete sie erstmals in der Novelle (1974) und 1988 erneut im Myrtenfräulein Hände und Gesichter aus Meißner Porzellan – „eine sehr ästhetische Sache“. Zu ihren Lieblingsfilmen zählt sie rückblickend Feuer des Faust (1981, preisgekrönt bei Festivals in Frankreich und Bulgarien) und das Märchen Die Schöne und das Tier (1976).

Katja Georgi beschränkte sich allerdings nicht auf den Puppentrick. Experimente mit Materialien und Techniken interessierten sie. Sie arbeitete u. a. mit Perlen (Die zwei Hasen, 1986), Flaschen und Gläsern (Heinrich Heine. Es ist eine alte Geschichte …, 1983) und mit Trickkombinationen. Gemeinsam mit ihrem Mann Klaus, der sich der Zeichentricksatire und dem Handpuppenfilm verschrieben hatte, gestaltete sie mehrere politische Filme in Flachtrick, beispielsweise die sowjetisch-deutsche Koproduktion Ein junger Mann namens Engels (1970), der beim Dok- und Animationsfilmfestival in Leipzig mit der „Goldenen Taube“ ausgezeichnet wurde, oder Guten Tag, Herr H. (1965), der sich mit dem fiktiven Wiederauftauchen Hitlers in der Bundesrepublik auseinandersetzte.

Blick in die Welt dank ASIFA

Ein junger Mann namens Engels – Ein Porträt in Briefen, Katja Georgi/Klaus Georgi/Wadim Kurtschewskyi/Fjodor Chitruk, DDR 1970. ©DIAF-Archiv

Ein junger Mann namens Engels – Ein Porträt in Briefen, Katja Georgi/Klaus Georgi/Wadim Kurtschewskyi/Fjodor Chitruk, DDR 1970. ©DIAF-Archiv

Die Regisseurin gehörte viele Jahre dem Verwaltungsrat der ASIFA an, dem internationalen Verband der Animationsfilmschaffenden, und fungierte von 1977 bis 1981 als Vizepräsidentin. Beigetreten war sie dem Zusammenschluss (gemeinsam mit einigen Dresdner Kolleginnen und Kollegen) bereits kurz nach dessen Gründung. Außerdem war es maßgeblich Katja Georgis Initiative zu verdanken, dass eine DDR-ASIFA-Gruppe gebildet und die ASIFA-Cinemáthèque, eine mehrere Hundert Animationsfilme aus aller Welt umfassende Sammlung, ab 1972 durch das Staatliche Filmarchiv der DDR verwaltet wurde.

Sicher inspirierten sie die Reisen zu Festivals und der Kontakt zu Filmemachern aus aller Welt, Neues auszuprobieren, Experimente zu wagen. Dieser Blick über den Tellerrand wirkte nicht nur auf Katja Georgis Tätigkeit als Regisseurin, sondern beeinflusste auch ihre DEFA-Mitstreiter und ist als „Motor“ für das Studio im Ganzen mitzudenken.

Im Jahr 1989 verließ das Ehepaar Georgi die DDR gen Nordhessen, eine Gegend, die beide aus ihrer Kindheit kannten. Katja Georgi richtete sich eine Töpferwerkstatt ein, arbeitete für das Spielzeugmuseum im Dorf. Die Georgis fanden Freunde und fühlten sich heimisch. Außerdem unternahm das Paar etliche Fernreisen und hielten diese Touren im Film fest. Nach zwölf Jahren kehrten Katja und Klaus Georgi nach Sachsen zurück, um näher bei ihren beiden Söhnen zu leben.

Ende März nun ist die Regisseurin in ihrem Haus an der sächsisch-brandenburgischen Grenze für immer eingeschlafen und inzwischen neben ihrem 2012 verstorbenen Mann Klaus beigesetzt worden.

Tanja Tröger